Gott ruft!
Gott klopft an die Tür meines Herzens.
Das ist der Beginn einer jeden Berufung. Sie beginnt mit dieser Initiative Gottes. Das müssen wir heute, wo so viel vom selbstbestimmten Menschen die Rede ist, aushalten, denn das heißt, dass wir unser Leben nicht selbst designen. Berufung meint, dass jemand von außen an mich herantritt und mich ruft. Warum sollten wir auf ihn hören? Weshalb sollten wir ihn beachten? Worin liegt seine Berechtigung, dies zu tun? Wir wollen uns doch nicht in unser Leben reinreden lassen!
In der Tat: wir sollten uns das nicht von jedem gefallen lassen. Es ist unser Leben, das es zu gestalten gilt! Und es ist unsere Verantwortung, wie wir mit diesem Leben umgehen. Wir dürfen und müssen es so führen, dass es für uns sinnvoll und gut erscheint, aber auch so, dass wir am Ende mit dem Ergebnis „leben können“.
Soweit leuchtet alles ein. Nur: Stimmt diese Prämisse? Ist es wirklich nur mein Leben? Selbst von einem nicht-religiösen Standpunkt aus ist offensichtlich, dass ich mein Leben nicht nur allein und für mich lebe. Ich teile es mit anderen und das erfordert bisweilen Rücksicht und ein bewusstes Zurücknehmen meiner eigenen Bedürfnisse. Dann gibt es Dinge, die ich sogar nur deshalb tue, weil andere das wollen und gut finden. Wenn mich jemand liebt – und auf diese Weise an mein Herz klopft –, dann werde ich für diese Person viel tun, was mir sonst nie in den Sinn gekommen wäre; etwa mein Freizeitverhalten auf sie abstimmen bis dahin, sogar den eigenen Arbeitsplatz aufzugeben und wegen ihr in eine andere Stadt zu ziehen.
Wenn wir gläubig sind, dann ist uns bewusst, dass Gott auf eben diese Weise an unser Herz klopft. Er zeigt uns seine Liebe, indem er uns ins Leben ruft, indem er uns mit den Gaben der Schöpfung beschenkt und auch indem er uns zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit werden lässt – mit einer einzigartigen Geschichte und mit ganz speziellen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Gerade weil er uns zu dieser Persönlichkeit hat werden lassen, hat er ein Interesse daran, dass wir unsere Möglichkeiten auch ausschöpfen, dass wir von dem Gebrauch machen, womit er uns ausgestattet hat.
Er fordert das aber nicht martialisch ein, es ist vielmehr das sachte, liebevolle Anklopfen an die Tür unseres Herzens, mit dem er uns dazu einlädt, unserer Berufung zu folgen. Aus diesem Grund verleugnen wir auch nicht unsere Persönlichkeit, wenn wir ihm folgen. Es führt uns vielmehr tiefer zu uns selbst, lässt uns unser Leben besser verstehen, fördert das Entdecken und Ausgestalten unserer individuellen Möglichkeiten. Es geht in all dem darum, dem zu entsprechen, was Gott in uns an Fähigkeiten angelegt hat, und damit zu unserem eigenen, unverwechselbaren Leben in der Nachfolge Jesu zu kommen.
Wenn man sich auf diese Perspektive einlässt, muss man sich fragen, warum nicht viel mehr Menschen diesem Weg freudig und mit Begeisterung folgen. Schließlich trifft der Gedanke, das zu werden, was man in seinem Innersten bereits ist, genau den Kern dessen, wonach wir heute suchen, wenn wir für unser Leben Glück und Gelingen anstreben.
Doch schon ein Blick in die Heilige Schrift zeigt uns, dass es geradezu zum Wesen einer Berufung durch Gott gehört, dass diejenigen, die von ihm direkt in eine besondere Aufgabe gesandt werden, mit Skepsis reagieren. Da ist Mose, der um seine nicht ganz unproblematische Vergangenheit weiß und deshalb daran zweifelt, ob er tatsächlich der Richtige ist, um das Volk Israel aus Ägypten zu führen. Da ist Jona, der um die unangenehmen Folgen weiß, die damit verbunden sein werden, wenn er die Bewohner Ninives zur Umkehr ruft. Oder Jeremia, der sich der Herausforderung, als Prophet zu wirken, schlicht nicht gewachsen fühlt, weil er noch so jung ist und seiner Meinung nach nicht reden kann. Auch im Neuen Testament ist es nicht viel anders: Maria zweifelt angesichts der Größe der Verheißung, die an sie ergeht, und Paulus muss erst vom Pferd geworfen werden, um zu merken, dass er sich dem Ruf Gottes nicht mehr entziehen kann. Angesichts der unendlichen Liebe Gottes werden sie sich ihrer eigenen Begrenztheit bewusst.
Hier kommt nun eine andere Dimension des Herzklopfens dazu. Es ist das Klopfen der Herzen all derer, die von Gott gerufen werden, einen bestimmten Auftrag zu übernehmen und ihrer Berufung zu folgen. Es ist keineswegs so, dass sie erfreut ausrufen, die ganze Zeit nur auf den Moment gewartet zu haben, in dem ihnen klar wird, was sie von Gott her zu tun haben. Stattdessen sind sie in der Regel so aufgewühlt von dem großen Vertrauen, das Gott in sie setzt, dass sie vor ihrer Berufung erschrecken. Sind sie wirklich die Richtigen für diese Aufgabe? Können sie der Berufung, die Gott an sie richtet, tatsächlich entsprechen?
Es scheint in der Tat so zu sein, dass es auch heute – trotz mancher Schwerhörigkeit Gott gegenüber – leichter ist, sein Klopfen an meinem Herzen wahrzunehmen, als seinem Ruf dann auch tatsächlich zu folgen und das umzusetzen, was er von mir will. Umgekehrt ist es ein Kennzeichen jeder „echten“ Berufung, dass sie beim Empfänger auch ein Erschrecken auslöst, dass sein Herz schneller schlägt angesichts des unbedingten Anspruchs, mit dem Gott in sein Leben tritt, und angesichts der doch nur endlichen Möglichkeiten, die ihm gegeben sind. Denn es verlangt den Sprung ins Ungewisse, das die Zukunft doch immer darstellt. Wird das Seil, die Verbindung zu Gott, ausreichen und stark genug sein, um angesichts der kommenden Anforderungen zu bestehen?
Es ist daher auch Skepsis angebracht, wenn Menschen allzu forsch feststellen, wozu sie berufen sind und was sie unbedingt erreichen und durchsetzen müssen. Dort, wo es sich tatsächlich um den Ruf Gottes handelt, wird er stets mit Demut und Bescheidenheit einhergehen und eher ein aufgewühltes, schnell schlagendes Herz bewirken, als ein allzu festes und sicheres. Nicht die lauten und selbstsicheren Töne sind es, die das Klopfen Gottes an unser Herz bewirkt. Sein Anklopfen in unserem Leben lässt sich nur wahrnehmen, wenn wir sensibel darauf hören, und es lädt ein, auf dem Weg der Berufung tastend, langsam voranzugehen.
Es gibt daher noch ein drittes Klopfen, das gerne übersehen wird und das auf den ersten Blick vielleicht Erstaunen auslöst. Es ist das Klopfen dessen, der die Stimme Gottes wahrnimmt, an die Tür und das Herz des Herren selbst. Wer seine Berufung erkennt, das Klopfen Gottes ans eigene Herz wahrnimmt, der wird danach fragen, wie er dem allem gerecht werden kann. Und er wird sich daher an den wenden, der die Ursache dieses Herzklopfens ist: an Gott selbst.
Er wird bei ihm anfragen, wie er seinen Weg gehen kann. Er wird seinen Berufungsweg nicht ohne den Urheber dieser Berufung gehen wollen. Und er wird deshalb – im Gebet – an das Herz Gottes klopfen. Dabei darf er vertrauen, dass Gott ihm sein Herz öffnet, dass er dieses Klopfen nicht überhören wird, sondern an seiner Seite steht.
Auch das zeigen uns die Berufungsgeschichten der Bibel. Wie oft hat Mose an das Herz Gottes geklopft, als er mit dem Volk Israel in der Wüste unterwegs war? Wie eindrucksvoll ist das Verhandeln von Abraham mit dem Herrn, als es darum geht, Sodom und Gomorrha zu retten? Wie bemerkenswert ist das Beispiel Jesu selbst, der, um seiner Berufung treu zu bleiben, in der Stunde vor seiner Verhaftung an das Herz des Vaters klopft!
Berufung – das wird deutlich – ist kein einseitiges Geschehen von Gott hin zum Menschen, bei dem nur einer, Gott, den aktiven Part hat und der andere, der Mensch, sozusagen das Objekt eines Geschehens ist, dem er sich ohnehin nicht entziehen kann.
Nein: Es ist ein beiderseitig personales Geschehen, das aus der Liebe Gottes zu uns Menschen erwächst; ein Geschehen, das seinen Anfang dabei nimmt, dass er für einen jeden und eine jede von uns einen unverwechselbaren Weg bereithält – einen Weg, der durchaus anspruchsvoll ist und den wir nicht ohne eigenes Herzklopfen gehen können, der aber letztlich unsere freie Entscheidung verlangt und unser Mittun erfordert. Will ich dem Plan Gottes für mein Leben entsprechen oder nicht? Will ich auf die Liebe Gottes mit meinem Leben und meiner Bereitschaft zur Hingabe antworten oder lasse ich es sein?
Dort, wo unsere Antwort positiv ausfällt, wo wir den Sprung in seine Arme wagen, sind wir auch weiterhin auf das Mitgehen Gottes angewiesen. Er soll und er will uns auf unserem Weg beistehen. Er begleitet unsere Berufung durch alle verschlungenen Pfade und Prüfungen hindurch.
Mit dieser Verheißung dürfen wir es wagen, auf seinen Ruf zu antworten. Ein Ruf, bei dem es um mehr geht als um das Erfüllen einer Pflicht. Ein Ruf, der unser aktives Mitgehen verlangt und in die Freiheit führt, weil er den Kern unseres Personseins betrifft und weil er in eine noch tiefere Liebe führt.
Michael Maas
Leiter des Zentrums für Berufungspastoral,
Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz
für die Pastoral der geistlichen Berufe und kirchlichen Dienste
Berufung
Im Wort Be-ruf-ung steckt das Wort „Ruf“. Gut ruft. Immer. Jeden Menschen auf eine besondere Weise. Er beruft uns zu einem Leben in Fülle, einem Leben, das uns tief erfüllt. Wie wir unser Leben gestalten, dass es zu einem Leben in Fülle werden kann, ist für jeden Menschen anders.
Die verschiedenen Wege zum Leben in Fülle drücken sich auch in unterschiedlichen Lebensweisen aus: im Single-Sein, im Verheiratet-Sein, im Gott-geweiht-Sein, im OrdenschristIn-Sein, im Diakon- oder Priester-Sein.
Die Berufungen und Lebensweisen sind so vielfältig wie die Menschen. Einen dieser Wege, das Schwester-Werden, möchte diese Homepage besonders in den Blick nehmen.
Jeder Mensch ist von Gott be- und gerufen, die eigenen Gaben auf ganz einzigartige Weise in die Welt einzubringen. Niemand sonst kann es auf diese Weise tun. So ist es unsere Lebensaufgabe, Gottes Willen für das uns geschenkte Leben herauszufinden und das jeweils Verstandene zu leben. Das ist der Schlüssel zum Leben in Fülle, zu tiefer Freude.
Im Laufe unseres Lebens lässt Gott uns immer wieder erahnen, erkennen, welche unsere Lebensform ist, wo unser Platz ist und was unsere Aufgabe ist … Das zu erkennen und zu leben ist das größte Glück für die Menschen und für Gott.
Gottes Sprache zu verstehen, ist dabei nicht immer einfach. Es ist dazu notwendig, Zeit mit Ihm zu verbringen, mit Ihm ins Gespräch zu kommen, um Ihn immer mehr kennenzulernen – genau wie bei Beziehungen mit Menschen.
Wie unter Menschen kann es natürlich auch zwischen Menschen und Gott zu Missverständnissen kommen. Es kann sein, dass ein Mensch den Ruf nicht hört oder nicht hören will, weil er Angst hat oder andere Pläne verfolgt. Manchmal übersieht er auch Zeichen auf dem Weg, will es nicht sehen oder versteht es nicht. Gott ist geduldig, er holt uns Menschen immer wieder dort ab, wo wir stehen – ob es eine Sackgasse ist, eine verkehrte Einbahn, eine Autobahn oder ein Bergpfad.
So brauchen wir im Grunde immer wieder nur unsere Aufmerksamkeit darauf richten, wo Gott uns von da, wo wir sind, hinruft. Wir brauchen nicht an bisherige Umwege, an unserer Vergangenheit hängen bleiben.
Was zählt, ist der jetzige Augenblick – und die Frage, die schon der Hl. Franz von Assisi Gott gestellt hat: „Was willst du, das ich tun soll?“
Berufung in der Bibel
Gott hat schon immer Menschen berufen. Davon erzählt auch die Bibel – im Alten und im Neuen Testament.
Was die Berufungsgeschichten gemein haben: Gott ruft auf unterschiedliche Weise – und der gerufene Mensch erschrickt, fühlt sich unwürdig, unfähig, zu jung und bekommt Angst.
Du brauchst Dich also nicht wundern, wenn Du eine solche Reaktion in Dir erlebst.
Gott ist so überwältigend, so anders, so voller Liebe zum Menschen, dass der Mensch sich klein, sich viel zu klein vorkommt.
Gott ruft nicht vollkommene Menschen. Er ruft einen Schafhirten, eine Teenagerin, einige Fischer und Zolleintreiber, ja sogar einen Christenverfolger und Mörder. Sie alle sind nur durch das Vertrauen auf Gott stark, nicht aus eigener Kraft.
Aber lies selbst! Hier sind einige Berufungsgeschichten aus der Bibel. Such Dir eine Berufungsgeschichte aus. Nimm Dir Zeit für sie. Schlüpf in die Person des Berufenen. Horch, was Gott Dir sagen möchte.
Die Berufung Abrahams: Gen 12,1-9
Die Berufung des Mose: Ex 2,23 – 4,17
Die Berufung Gideons: Ri 6,1-24
Die Berufung Samuels: 1 Sam 3
Die Berufung Elischas: 1 Kön 19,19-21
Die Berufung Jesajas: Jes 6,1-13
Die Berufung Ezechiels: Ez 1,1-27
Die Berufung Israels: Hos 11,1-2
Die Berufung Jonas: Jona 1,1-2
Die Berufung Marias: Lk 1,26-38
Die Berufung der ersten Jünger: Mk 1,16-20
Die ersten Jünger: Joh 1,35-51
Die Berufung des Levi: Mk 2,13-17
Die Wahl der Zwölf: Mk 3,13-19
Frauen in der Nachfolge Jesu: Mk 8,1-3
Die Berufung zum Apostel: Gal 1,1.10.15
Nimm Deine Bibel zur Hand oder suche die Stelle online.
Berufung zur Schwester
Der Ruf, Schwester zu werden, ist eine von vielen Möglichkeiten, die Gott sich hat einfallen lassen.
Im Lauf der Geschichte der Kirche haben sich an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten Christinnen zusammengefunden, die eine Not ihrer Zeit gesehen haben und etwas tun, etwas bewirken und verändern wollten. Und sie wollten das in der konkreten und entschiedenen Nachfolge Jesu machen.
Anfangs war es Frauen in der Gesellschaft und in der Kirche nur erlaubt, im Verborgenen, in Stille in einem Frauenorden zu leben. Erst später wurde es möglich, dass Frauen sich zusammenschlossen, um nicht „nur“ betend die Not, die sie sahen, zu lindern, sondern auch aktiv – z. B. mit Bildungsmöglichkeiten für Kinder, die sonst keinen Zugang zu Bildung hatten, mit Krankenhäusern für Menschen, die sich keine medizinische Versorgung leisten konnten, mit Waisenhäusern u.v.m.
Sie wollten und wollen ihr Leben ganz auf Gott ausrichten – und ganz für die Menschen da sein. Das Leben ohne eigene Familie, ohne eigenen Besitz und im Hören auf Gott und aufeinander schien und scheint ihnen, das Richtige zu sein. Nicht der Verzicht war und ist im Vordergrund, sondern das Frei-Sein für Gott und die Menschen.
Gemeinsam ist allen Frauenorden das Leben nach dem Evangelium, die Nachfolge Jesu. Das ist das Fundament jeder Ordensfrau, jeder Ordensgemeinschaft.
Die meisten versprechen bei der Feier ihrer Profess die evanglischen Räte: Gehorsam, Armut und Keuschheit. Manche versprechen auch die „Stabilitas“, das bleiben in konkret diesem Haus der Gemeinschaft.
Aufgrund der Zeit und der Not und den jeweiligen heiligen Vorbildern legen die Gemeinschaften ihren Schwerpunkt auf unterschiedliche Spiritualitäten und Tätigkeiten. So gibt es z. B. Franziskanerinnen (Franz von Assisi), Klarissinnen (Hl. Klara), Karmelitinnen (Hl. Theresa von Avila), DominikanerInnen (Hl. Dominikus), Ursulinen (Hl. Ursula) u.v.m. Es gibt, Gemeinschaften, die mit Menschen in Situationen des Kreuzes aushalten möchten, die in viel Zeit der Stille die Vereinigung mit Gott suchen, die unterrichten, die Kranke pflegen, die in Klöstern wohnen oder in Wohnungen.
Manche Gemeinschaften gibt es nur in einem Haus, andere an mehreren Orten einer Diözese oder eines Landes, viele Gemeinschaften sind international.
Manche Ordensgemeinschaften sind missionarisch, andere bleiben ihr ganzes Leben an einem Ort, wieder andere sind zwar keine Missionsschwestern, leben aber ihr Pilgerinnen-Sein in dieser Welt, indem sie immer wieder in einem anderen Haus ihrer Gemeinschaft leben und wirken.
Unser Gott ist sehr kreativ!
Du magst vielleicht sagen: Und wie um Gottes Willen soll ich die richtige Gemeinschaft für mich finden?
Richtig! In jedem Fall: „um Gottes Willen“!
Und um den richtigen Weg, Deinen Weg zu finden, gibt es unterschiedliche Dinge und Menschen, die Dir helfen können.